Vielen seelischen Problemen, seien es Ängste, depressive Verstimmungen oder diverse psychosomatische Leiden, liegt ein Hauptproblem zugrunde: Der eigene Perfektionismus.
Die Gründe für diese Art der Selbstüberforderung sind vielfältig. Da waren in der Kindheit vielleicht die Eltern, die einem das Gefühl gegeben haben, nur durch Leistung etwas wert zu sein. In der Adoleszenz gab es womöglich falsche Freunde, ungerechte Lehrer oder böswillige Mitschüler, die am Selbstwertgefühl genagt haben. Noch ein bisschen später waren es dann der Beruf, die Familie oder die Gesellschaft, die uns zu permanenten Höchstleistungen angetrieben haben.
Und irgendwann haben wir das Gefühl, nicht mehr zu können, den Anforderungen, die durch unser Umfeld an uns gestellt werden, nicht mehr gerecht zu werden. Wir fühlen uns dauerhaft erschöpft, nervös, getrieben oder unkonzentriert und ungenügend. Manchmal zeigt sich unsere dauerhafte Überlastung auch durch körperliche Symptome wie Schwindel, Muskelzucken oder Schmerzen, für die die Ärzte keine physische Ursache finden können.
Wenn wir dann mal genauer danach schauen, wer oder was es eigentlich ist, der uns daran hindert, das unbeschwerte, glückliche Leben zu führen, nach dem wir uns so sehnen, dann werden wir früher oder später immer auf den einen Menschen zurückkommen, der uns das Leben unnötig schwer macht: Auf uns selbst!
Ich erkenne in der aktuellen Zeit einen immer stärker werdenden Drang zum Perfektionismus, der schon die ganz jungen Menschen belastet und verstört.
In einer Gesellschaft, in der die sozialen Medien uns täglich endlose Möglichkeiten zur Selbstoptimierung vor Augen halten und die persönliche Entfaltung einen ungemein hohen Stellenwert erhält, wird die Entscheidung, wohin der individuelle Weg gehen soll, immer schwieriger. Dazu kommt eine Situation der Unsicherheit in Gesellschaft und Politik, die uns nicht immer allzu optimistisch in die Zukunft schauen lässt. Der Wunsch, angesichts des Chaos im Außen wenigstens innen alles perfekt zu halten, kann dann schon mal überstark werden. Und so verständlich er im Einzelfall auch ist – er ist unmöglich erfüllbar, denn Perfektion gibt es im Leben nicht.
Wir kommen deshalb – fast egal mit welchem Problem – immer wieder an den Punkt wo wir uns fragen sollten: Was will ICH eigentlich? Was tut MIR gut? Und FÜR WEN lebe ich mein Leben?
Das herauszufinden ist gar nicht so einfach und bedarf meist der Unterstützung einer therapeutisch ausgebildeten Person. Doch umso wichtiger ist es sich klarzumachen, dass es nicht allein die Anforderungen im Außen sind, die uns kaputtmachen können, sondern zum großen Teil unsere eigenen. Und an denen können wir arbeiten. Es lohnt sich!
Dr. Dominique Schwarz, Heidelberg