Unser Alltag ist oft sehr belastend. Multi tasking ist gefragt, wir spielen alle ganz unterschiedliche Rollen und in jeder wollen wir glänzen. Zu den Ansprüchen, die unsere Eltern, Lehrer, das soziale Umfeld etc. an uns hatten oder haben kommt gerade bei jüngeren Menschen noch ein weiterer sehr wichtiger Faktor: social media. Hier wird uns die perfekte Welt in Reinkultur vorgespielt und das 24/7.
Die Folge von all dem ist häufig ein Perfektionismus, der zum Scheitern verurteilt ist. Wir rödeln wie in einem Hamsterrad, streben nach Anerkennnung – gerne auch in Form von Likes – und wollen zu jeder Zeit alles im Griff haben. Dabei verlieren wir komplett den Bezug zu uns selbst, zu dem, was wirklich wichtig ist, zu den innersten Bedürfnissen unserer Seele.
Doch wenn wir selbst unsere Freizeit noch „sinnvoll“ verplanen mit Selbstoptimierungsideen wie übertriebenem Kraftsport (nicht weil es Freude macht, sondern um den Body fit zu halten) oder ständigem Ausgehen (um den Kopf frei zu kriegen und den Stress zu vergessen) oder Dingen, die uns in irgendeiner Form nützlich erscheinen, ist der Weg zur völligen Erschöpfung irgendwann nicht mehr weit.
Was der Mensch braucht, um an seine Ressourcen zu kommen, zu spüren was er wirklich braucht, ist Zeit. Und ein wenig Geduld. Jahrelang eingeschliffene Gewohnheiten und Glaubensmuster lassen sich nicht in zwei Wochen „optimieren“. Sie werden auch nicht besser durch Ablenkung oder Verdrängung, ganz im Gegenteil. Es braucht erstmal die Bereitschaft, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und auch die dunklen, traurigen oder wütenden Anteile in sich kennenzulernen.
Es kann schon hilfreich sein, sich ein oder zweimal die Woche einen ganz absichtslosen Spaziergang vorzunehmen, bei dem man sich auf nichts anderes konzentriert als auf seine Umwelt und auf die Gefühle, die dabei entstehen. Im Zen-Buddhismus gibt es auch den Begriff des achtsamen Gehens nach dem Motto: „Wenn ich gehe, dann gehe ich.“ Will sagen: Nichts ist in dem Moment wichtiger als einen Schritt vor den anderen zu setzen. Das kann schon ungemein entschleunigen und einen Nährboden für mehr self-awareness bilden.
Die Bereitschaft, regelmäßig ein paar Momente im bewegten Alltag in die Stille zu kommen, sich auf das zu konzentrieren, was ist anstatt auf das was sein soll, ist grundlegend für einen ausgeglichenen und ruhigen Geist. Es ist nicht damit getan, sich dieses oder jenes anzuhören oder dies und das auszuprobieren. Ganz wichtig ist es, dass wir uns selbstbestimmt dafür entscheiden, bewusst Zeit für uns einzuplanen.
Manchen erscheint dieser Gedanke beängstigend, weil sie fürchten, sich dann mit ihren schlimmsten Gefühlen auseinandersetzen zu müssen. Doch es ist sehr wertvoll genau das zu tun, um zur Ruhe und in die Freude zu finden. Manchmal braucht es dafür begleitende Unterstützung, dann darf man auch diese annehmen. Fühle nach was dir jetzt gut tut!
Dr. Dominique Schwarz, Heidelberg