Die Tage werden länger, die Abende heller und mehr und mehr zeigt die Sonne auch wieder ihr lachendes Gesicht. Für viele Menschen ist das die Zeit, in der sie wieder mehr nach draußen gehen können, die nackten Beine in die ersten Frühlingsstrahlen strecken und ein Eis genießen.
Für manche Menschen bedeutet dieses offensichtliche Glücklichsein der anderen allerdings etwas ganz anderes: Manch einem oder einer ist einfach nicht danach zumute, sich zu der lauten Menge der Genießenden zu gesellen, er oder sie möchte sich einfach nur die Decke über den Kopf ziehen und so tun, als tobe da draußen ein Wirbelsturm. Da dem aber nicht so ist, kann diese ganze Frühlingsstimmung regelrecht zur Provokation werden, denn nichts hält einem die eigene Unfähigkeit mehr vor Augen als wenn man im Angesicht des Glücks nicht fröhlich sein kann.
„Alle außer mir gehen raus und zeigen sich ungeniert, was stimmt nicht mit mir?“
„Wenn ich mich nicht zu guter Laune zwinge, könnte ich in eine Depression abrutschen!“
„Ich lenke mich lieber mit Aktivitäten ab, damit dieses schlechte Gefühl weggeht.“
Solche und ähnliche Gedanken gehen Menschen durch den Kopf, die gerade in einer deprimierten, ängstlichen oder unsicheren Stimmung sind.
Unser kluges inneres Wissen hat immer einen Grund, warum es sich gerade lieber zurückzieht anstatt in der Menge zu tanzen. Solange wir uns jedoch dafür verurteilen, dass wir gerade anders ticken als der gefühlte Rest der Welt oder uns permanent Aktionen aufzwingen, die wir eigentlich gar nicht wollen, werden wir uns immer weiter in diesem Teufelskreis aus Rückzug und Selbstentwertung bewegen.
Es gilt, den inneren Bedürfnissen nachzuspüren und zu schauen, was es gerade ist, das wir wirklich brauchen. Und welche Gedanken oder Gefühle in unserem Inneren uns solche Angst machen, dass wir lieber alles Mögliche (und Unmögliche) anstellen, um sie nicht an die Oberfläche kommen zu lassen.
Wir dürfen unseren Gefühlen immer vertrauen. Es braucht nur manchmal etwas Unterstützung, einen Blick von außen, um dahinter zu kommen, was sie uns wirklich sagen wollen und welche Bedürfnisse sich hinter ihnen verstecken. Und manchmal braucht es dazu eben eine dunkle Decke an einem leuchtenden Sommertag, um uns die Gegenwart des Lichts wieder bewusst zu machen.
Dr. Dominique Schwarz, Heidelberg